Pressespiegel
15./16.10.2011
Lüneburger Landeszeitung
Von Felicitas Daxner
Der Wolf kehrt zurück - Italienische Hirtenhunde können Schafherden auch in der Lüneburger Heide schützen
Die weißen Wächter
dax Bienenbüttel. Friedlich dösend liegt Castella in der Sonne, aus der Ruhe bringen lässt sich die Hündin nicht. "Na komm her, na schau mal" - die Lockversuche von Frauchen Christine Blümlein bleiben erfolglos. "Da müsste ich mich richtig zum Kasper machen." Kuscheln auf Kommando ? Nichts für Castella - Spitzname: Stella. Was andere als negative Eigenschaft auslegen würden, macht die Hündin für Christine Blümlein einzigartig: "Sie ist eine Gefährtin, keine Befehlsempfängerin." Gelassenheit, Selbstsicherheit und die stolze Ausstrahlung faszinieren. "Cane Da Pastore Maremmano Abruzzese" heißt die Rasse italienischen Ursprungs. Es sind Hirtenhunde, die bald auch in der Lüneburger Heide gefragt sein könnten - zum Schutz von Schafherden vor Wölfen.
Ihr Schlafzimmer hat Christine Blümlein in die Wohnküche verlegt. Seit zwei Wochen fordern acht Welpen die volle Aufmerksamkeit der vom Verband für das Deutsche Hundewesen zertifizierten Züchterin (VDH). Alle sind bereits vermittelt - an Privatleute und an einen Schäfer. "In den Abruzzen leben sie direkt bei den Schäfern. Die Schafe sind ihre Familie, die von den Hunden vor zweibeinigen Viehdieben, Bären und Wölfen beschützt werden", erklärt die 46-Jährige. Stellas Heimat ist seit fünf Jahren Bienenbüttel.
Zur Welt kam sie in Civita Castellana, etwa 60 Kilometer nördlich von Rom. Christine Blümlein ist oft mit ihrer Familie in Italien, besucht dort auch einen Züchter. "Wir wollten einen Hund, der unsere Familie beschützt, aber trotzdem umgänglich ist - so bin ich auf die Maremmani gestoßen." Für jedermann eigne sich die Rasse allerdings nicht, "es ist viel Sachverstand erforderlich, die Erziehung ist schwieriger", betont die Besitzerin.
Langsam fährt Stella mit der Zunge über das Fell eines Welpen. "Du bist eine tolle Mama, nicht wahr?", lobt Christine Blümlein. Erstmals erfasst wurden die italienischen Maremmano-Hunde als Rasse in den 1950er-Jahren. Der italienische ist einer von sechs Rasseschlägen. Bereits vor etwa 3000 Jahren sind die Hirtenhunde nachgewiesen worden, "sie haben sich vor allem entlang den Wegen des Viehtriebs ausgebreitet, etwa in der Hohen Tatra, in den Abruzzen und den Pyrenäen." Eingesetzt werden sie als Herdenschützer heute vorrangig in Norditalien und in der Schweiz. "Dort zeigt sich, was auch in der Lüneburger Heide möglich wäre", sagt die Bienenbüttelerin. Staatlich gefördert sind die Herdenschutzzentren in der Schweiz. Professionell ausgebildete Hunde werden dort gehalten, je nach Bedarf in die verschiedenen Regionen geschickt, um die Schäfer dort zu unterstützen.
In Deutschland sind die Maremmano-Hunde zum Schutz vor Wölfen bereits vermehrt in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen im Einsatz. In großen Herden sind sie meist zu fünft, in kleineren allein oder zu zweit. "Wenn sich ein Wolf nähert, dann laufen sie aus der Schafherde heraus - mit einer unglaublichen Vehemenz, der ganze Körper ist angespannt", erklärt die Züchterin. Dabei halte der Hund einen Abstand zum Angreifer, "er verbellt ihn".
Eine Vertrauensperson angreifen würde Stella nie. "Sie hat Menschen von klein auf als positiv eingestuft", erklärt die Besitzerin. "Wenn ich mit ihr unterwegs bin, dann flankiert sie mich. Ich bin in dem Moment ihre Herde." Die Hündin spürt genau, wer eine Bedrohung darstellt und wer nicht.
"Sie besitzt eine hohe emotionale Intelligenz." Die könnte auch den Schäfern in der Lüneburger Heide beim Schutz ihrer Herden von Vorteil sein, findet Christine Blümlein: "Es wäre sinnvoll und klug, präventiv mit den Tieren zu arbeiten, die Schäfer im Umgang mit ihnen auszubilden." Für sie ist der Maremmano-Hund ein Kulturgut. Die Bienenbüttelerin betont: "Ich möchte nicht, dass er zum Modehund verkommt, das würde die Rasse kaputtmachen."
14.10.2011
Allgemeinde Zeitung der Lüneburger Heide Stadt und Kreis Uelzen
Von Britta Montag-Jansen
Schutz für Herden gegen Wölfe
Bienenbüttel. Entspannt wie immer begrüßt Castella Gäste an der Haustür. Nichts deutet daraufhin, das die Hündin drei Tage zuvor acht gesunde Welpen geboren hat.
„Und“, runzelt Besitzerin Christine Blümlein sorgenvoll die Stirn, „es musste in einer Notoperation ein toter Welpe durch einen Kaiserschnitt geholt werden. “.
Doch die anderen sind fit und durch gute ärztliche Versorgung scheint die Hundemutter wohlauf. Dieses besonnene Verhalten sei aber ein Charaktermerkmal jener Rasse, erklärt Blümlein und informiert über die ungewöhnliche Hundeart. „Ursprünglich waren wir vor ein paar Jahren auf der Suche nach einer familienfreundlichen Hunderasse, durch die sie sich in ihrem neuerbauten Haus beschützt fühlen wollten.“ Durch intensive Recherchen seien sie auf eine Zucht italienischer Maremmen Abruzzen Schäferhunde gestolpert, die sich ihrer Familie, ob nun Schafe oder Menschen, stark anpassen.
In Italien werden diese Herdenschutzhunde ab einem Alter von acht Wochen in die zu bewachende Herde zum Schutz vor Wolfsübergriffe integriert. Vor fünf Jahren hätten sie sich nur einfach in den charakterstarken Hund verliebt, doch im Laufe der zunehmenden Einwanderung von freilebenden Wölfen haben die Herdenschutzprogramme in Deutschland an Gewicht gewonnen. In Zusammenarbeit mit Wolfsberatern und Interessenten entwickelte sich die Idee,eine systematische Zucht für den Herdenschutz in Deutschland auf zu bauen. Während in der Schweiz bereits Hirtenhunde zum Schutz von Nutztieren staatlich gefördert werden, ist bisher nur in der Lausitz die Notwendigkeit dieser Rassen klar, weil sich dort seit zehn Jahren die ersten freilebenden Wölfe ausgebreitet haben. Es wird mit Hirtenhunden verschiedener Arten abenteuerlich und noch nicht erfolgsversprechend experimentiert. „Durch intensive Betreuung von Castella fiel uns auf, wie instinktsicher sie den Ursprung ihres Charakters beibehalten hat“, beobachtete Blümlein und suchte lange nach einem entsprechenden Vater für die Zucht, um die Qualität bei zu behalten. Durch die Entwicklung der letzten Jahre wünscht sich Familie Blümlein eine verantwortungsvolle Zucht, um die Kultur von Hirtenhunde für Nutztiere wieder zu etablieren. Doch vorerst stehen die Welpen zu Hause im Vordergrund. Ein lauter werdendes „fiepen“ unterbricht das Fachgespräch, gemächlich macht sich Mutter Castella auf den Weg zu ihren Babies. Noch könnten es auch Meerschweinchen sein, würden nicht die supersüßen Schwänze ewig in Bewegung sein.