Arbeitshunde

Italien und die Schweiz haben sich auf das Nebeneinander von Tourismus und der Arbeit von Schutzhunden an den Herden eingestellt.

 

Umfangreiches Infomaterial für den Einsatz von Herdenschutzhunden

Herdenschutz Schweiz
COMIC zum Herunterladen über richtiges Verhalten gegenüber Herdenschutzhunden
Comics_HSH_de.pdf
PDF-Dokument [22.9 MB]

 

Die Schützer der Herden setzten nicht auf Angriff sondern auf Abschreckung. Ihr dumpfes Bellen und ihre beeindruckende Statur wirken abschreckend auf Raubtiere und mögliche Feinde. Die Hunde verbellen alles Ungewöhnliche, um auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Das können auch Vögel, Wanderer, Radfahrer oder Fahrzeuge sein. 

Maremmani bei ihrer Arbeit im Vale Maira

Die Hunde sind von Natur aus nicht aggressiv, nähern sich aber durchaus Wanderern oder fremden Hunden um diese "zu kontrollieren". Sie halten zu fremden Personen jedoch Abstand und benehmen sich fremden Hunden gegenüber angepasst.

 

Die Ausbildung der Herdenschutzhunde wird als Gratwanderung beschrieben: Die Hunde müssen treu an der Herde sein, dürfen jedoch keine Scheu vor Menschen entwickeln. Prinzipiell wird die Geburt und frühe Sozialisation bei den Nutztieren als optimal angesehen. Die Junghunde kommen dann zu einem erfahrenen arbeitenden Hund an die Herde dazu und lernen so alles Notwendige. Es gibt auch Erfahrungen über spätere Verbringungen an die Herden ohne erfahrenes Vorbild.

 

Maremmano passt auf bei seinen Ziegen und Schafen

Nach unserer Einschätzung ist es prinzipiell aber auch möglich, dass der Junghund an der Herde vom Schäfer eingearbeitet und ausgebildet wird, gleichzeitig in Bindung an den Schäfer aufwächst und so "in unseren Breiten" oder touristisch frequentierten möglichen Einsatzbereichen eher umgänglich und kontrollierbar bleibt.

 

Die achte bis zwölfte Woche wird als intensivste Sozialisierungsphase angesehen. Die Rangordnung im Rudel muss ganz deutlich sein. Die Welpen und Junghunde lernen zu warten, bis die Älteren gefressen haben. Die Bezugsperson steht klar an erster Stelle. "Nein" und "Komm" sind die grundlegenden Kommandos. Eindeutig und früh Tabus und Grenzen setzten ist unabdingbar.

 

Die Junghunde müssen im Umgang mit den Nutztieren unter Beobachtung stehen und bei unerwünschtem Verhalten (beispielsweise übermütiges Spielen mit Lämmern mit Verletzungsgefahr) korrigiert werden.

 

Die Hunde müssen früh alles "normale" kennelernen, sie verbellen später vor allem was ihnen unbekannt und ungewöhnlich vorkommt.

 

Es versteht sich von selbst, dass sie für Arztbesuche, Reisen und Transporte Leinenführigkeit, Kommandos und Sozialverhalten lernen müssen.

 

Auch muss die Begegnung mit fremden Hunden genauso selbstverständlich sein, wie mit Wanderen, Radfahrern und Touristen.

 

In der Schweiz werden interessierten Hirten und Schäfern von AGRIDEA in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Veterinärwesen spezifische Kurse angeboten, um zusätzliches, dem Arbeitsansatz der Hunde angepasstes Fachwissen, erwerben zu können. Für die Kurse werden Herdenschutzfachleute aus den Kompetenzzentren für Herdenschutz eingesetzt.

 

Fänden sich bei uns aufgeschlossene Schäfer, könnten die Hunde auch bei uns rechtzeitig an Herden etabliert werden, bevor es die ersten Schäden von Jungwölfen gibt.

 

Es ist durchaus vorstellbar, dass die weißen beeindruckenden Riesen, beispielsweise in der Lüneburger Heide nicht zu den befürchteten "Schreckgespenstern" werden, sondern zu einem ihrer besonderen "Markenzeichen" -  wenn wir den Aufklärungskampanien (Broschüre) und der Informationsstrategie (Faltblatt) der Schweiz und Italien folgen.

 

Wir bitten um Verständnis für die arbeitenden Hunde

 

 

Filmbeitrag Italien

Link zu Beitrag des National Geographic auf You Tube:

Dogs with Job:

Italienischer Beitrag über arbeitende Maremmani, zum Teil gestellte Szenen, leider sind die Ohren des Rüden kupiert, eindrucksvoll rüber kommt jedoch der Stolz, die Hingabe und Liebe der Züchter und Schäfer zu den Hunden

 

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Mittwoch, 10. September 2008
(Sächsische Zeitung)
  
Weiße Riesen, schwarze Schafe
Von Frank Tausch

Schutzhunde aus der Schweiz fühlen sich in der Lausitz wohl und sollen schaffressende Wölfe von der Herde fern halten.

Als sich die Gruppe um Umweltminister Frank Kupfer (CDU) der Schafherde nähert, kommt Bewegung auf. Walter Hildebrand löscht sein Pfeifchen, rückt die Mütze etwas aus dem Gesicht und stemmt sich aus dem Gras hoch auf barfüßige Beine. Sein Hund Terremotto macht sich ebenfalls auf. Langsamen Schrittes kommt der schneeweiße Maremma-Hund aus der Schafherde hervor, stellt sich vor sie und bellt mit tiefer Stimme.

Hildebrand hat diesen Hund als Welpen aus den Abruzzen geholt, einer Gebirgskette in Italien, in der Wölfe nie ausgestorben waren. Terremotto heißt auf italienisch Erdbeben. Ein passender Name für den 50-Kilo-Koloss. Terremotto ist ein Herdenschutzhund. Er ist einer der Schweizer, die bei Schäfer Holger Schuldes Wölfen den Appetit auf Schaffleisch nehmen sollen. Hildebrand hat Terremottos ganze Familie mitgebracht, die Hündin Zora und Trafoi, mit zehn Monaten schon so imposant wie seine Eltern.

Ruhig weiden die Schafe, ab und an blökt eines, aber um die Hunde kümmern sie sich nicht. In den vergangenen Tagen haben die Lausitzer Schäfer und die Schweizer Experten Hund und Herde aneinander gewöhnt, dass ging reibungsloser als gedacht, sagt Schulde. Der Landwirt aus Königswartha zwischen Bautzen und Hoyerswerda war erst skeptisch. Nun aber kann er sich vorstellen, dass die Hunde seine Schafe wirksam schützen.

Schulde hat 800 Mutterschafe, in drei Herden. Diese eine Herde nun ist mehrmals von einem oder mehreren Wölfen attackiert worden, Schulde hat mehrere Schafe verloren. Was sich sonst in der Lausitz als wirksamer Wolfsschutz erweist–90-Zentimeter Elektrozaun und darüber ein Flatterband – ist hier bei Königswartha von Wölfen übersprungen worden. Bald gehen auch die Jungwölfe mit auf die Jagd, sie sollen nicht erst bei ihren Eltern lernen, wie man leicht an Beute kommt, damit es nicht noch mehr „schwarze Schafe“ unter den Lausitzer Wölfen gibt. „Wir wollen nicht, dass sich Wölfe an die Nahrung Schaf gewöhnen. Die sollen in den Wald gehen und Rehe fressen“, sagt Minister Kupfer. Das funktioniert in der Regel auch. Das Ministerium hat trotzdem schnell gehandelt und die Schweizer geholt. Die sind im ganzen Alpenraum im Einsatz, in Österreich, in Südtirol. Überall, wo es Bären, Wölfe und Luchse gibt – und Schafe. Hildebrand ist selbst Schäfer, seine Herde steht in den Alpen im Kanton Wallis. „Der Wolf ist durch die Politik geschützt, ich musste als Schäfer eine Antwort finden“, sagt der 60-jährige Schweizer. „Nur gegen den Wolf zu sein, ist keine Lösung.“

Drei Monate Lausitz

Seine Antwort waren die Herdenschutzhunde. 1999 hat Hildebrand die ersten Tiere angeschafft. Längst züchtet er selbst, hat über ein Dutzend der weißen Riesen im Einsatz. Herdenschutzhunde sind keine Hütehunde. Auch solche Tiere hat Hildebrand mitgebracht. Es sind kleine, bewegliche Hunde, die auf jeden Ton seiner englischen Hundepfeife hören, um Schafe zu treiben. Die Maremmas treiben keine Schafe. Sie wachsen schon als Welpen zwischen Schafen auf, werden auf die blökenden Vierbeiner geprägt. Bei einer Gefahr für „ihre“ Herde treten sie in Erscheinung. Das merken auch schnell die Kameraleute, die Schafe und Hunde filmen wollen. Terremotto, Zora und Trafoi bauen sich drohend auf, in einer Kette vor der Schafherde. Das Bellen klingt warnend: „Bis hierhin und nicht weiter“. Es ist leicht zu übersetzen. „In der Regel zieht der Wolf ab, weicht einem Kampf aus“, sagt Hildebrand. „Der Wolf weiß, dass er verletzt werden kann, und dann kann er nicht mehr jagen.“ Wenn Hildebrand und seine Hirten in Zelten in den Alpen übernachten, fühlt er sich vor dem Wolf „sehr sicher“. „Bären sind da problematischer“, sagt der Schweizer.

Hildebrand fährt heute nach Hause, die flache Lausitz hat ihm sehr gefallen, aber er wird auf den Almen gebraucht. Seine Kollegin Riccarda Lüthi bleibt noch ein paar Tage, dann kehrt auch sie heim. Terremotto, Zora und Trafoi bleiben drei Monate, bis die Schafe in den Winterpferch gehen. Schuldes Schäfer werden mit ihnen klar kommen. Minister Kupfer überlegt, ein eigenes Herdenschutzhund-Team aufzubauen, am besten in regionaler Hand, wenn sich der Einsatz der Maremma-Hunde bewährt. Der erste Eindruck ist auch für den Minister vielversprechend.

Rassen gibt es übrigens jede Menge. In vielen Ländern Europas wurde in vergangenen Jahrtausenden auf Hunde als Schutz vor wilden Tieren gesetzt. Der Tatra-Berghund in Polen, der Pyrenäen-Berghund in Frankreich, der Sarplaninak auf dem Balkan, der Kommodor in Ungarn oder der Do-Khy im tibetanischen Hochland. Hildebrand hat sich für die Maremmas entschieden, weil sie nicht ganz so wild und scharf sind. Schließlich sollen Spaziergänger, Radfahrer oder Hundehalter, die sich einer Schafherde nähern, unversehrt bleiben.

Quelle: Sächsische Zeitung vom 10.09.08

 

  

Filmbeitrag Schweiz

LINK zum SF Videoportal

So kommt der Wolf auf den Hund

Sehr informativer Film des Schweizer Fernsehens über die Situation in der Schweiz zur Einwanderung der Wölfe und zum Einsatz und Aufzucht von Herdenschutzhunden. Der Film ist schon ein bisschen älter und die Situation hat sich dahin gehend verändert, dass die Finanzlage sehr knapp geworden ist und einíge Herdenschutzzentren aufgegeben haben. Der Film dauert ca. 55 Minuten, läd relativ langsam und man kann sich in das Schweizer Deutsch ganz gut einhören - wunderbare Bilder und Inhalte. Walter Hildbrand wird mit seiner Arbeit ebenfalls porträtiert.

 


Rüde in Walter Hildebrands Herdenschutzzentrum Jeizinen